Lebenswert?

Lieben, Ackern, Altern, Lieben und Sterben…

August und September bestanden für uns nur aus Stress. Organisation des BUND-Stands zur Eröffnung des „City-Parks“, der Agora-Veranstaltung „Bürger für Bäume“, Teilnahme an verschiedenen Arbeitskreisen, am Baum-Stammtisch, Partizipations-Stammtisch, der Ini-Plattform, dem Mediationsforum, dann die wöchentlichen Treffen zur Vorbereitung unserer Agora-Veranstaltung über Partizipation am Beispiel des Mediationsverfahrens „Zukunft Landwehrkanal“ im Radialsystem V. Die dauernden Auseinandersetzungen wie der Flyer, die Einladung, die Vorträge, die einzelnen Thementische gestaltet werden sollen, nervten mich am meisten.

Doch erstaunlicher Weise war die Veranstaltung überaus gelungen, ich war sehr überrascht, wie viele Menschen bei kühlen Temperaturen – das Radialsystem liegt ja an der Spree, und unsere Veranstaltung in Form eines Worldcafès fand quasi im Freien statt, ähnlich wie an Deck eines Schiffs – ausharrten. Ein wunderbares Ambiente, wenn es wärmer ist. Selbst als nach ca. 3 ½ Std. der offizielle Teil vorüber war, blieben viele noch da, sich mit Hilfe von Wein wärmend und angeregt unterhaltend – wir mussten abbauen, und der Pirat W, den ich noch nicht lange kenne, baute einen großen Joint…

Die Tage danach: Radio- und Zeitungsinterviews, unseren Bericht über die Veranstaltung, viele Anrufe etc. pp., doch wir erhielten auch sehr nette Mails: AnwohnerInnen bedankten sich für unseren Einsatz, kündigten Spenden an – tätige Hilfe wäre uns lieber.

Im Moment bereiten wir mit verschiedenen Inis eine kleine Demo für die Koalitionspartner vor: wir wollen sie nach den Verhandlungen mit entsprechenden Transpis empfangen und an ihre Versprechen im Wahlprogramm erinnern. Unser Anliegen 10.000 Bäume für Berlin haben ja alle im Programm.

Privat sieht es nicht viel besser aus – seit Monaten schleppt sich die Renovierung (zum Jahresende hatten wir einen Wasserschaden) unseres Badezimmers dahin. Da wir beide handwerklich völlig unbegabt sind, müssen wir alles Handwerkern überlassen – und die pfuschen, nerven, sind total unzuverlässig. Urlaub ist gestrichen, ich schaffe es nicht mal meine Verwandten in Hessen zu besuchen.

So verfliegt die Zeit…

Vorsichtig akzeptiere ich, dass auch ich altere, das die Liebe sich ändert, das alles sich ständig ändert. Meine Liebe zu A ist wieder in eine ganz neue Phase eingetreten: ich bin sehr milde gestimmt; ja, wenn ich so nachdenke habe ich regelrecht Mitleid, dass A mich die vielen Jahre ertragen musste und bereit ist, wie er mir versichert, mich weiter zu ertragen. Dies ist keine Koketterie, ich finde mich selbst ziemlich anstrengend. Doch wenn wir uns anschreien – aus welchem Grund auch immer – kann ich plötzlich ganz schnell umschalten, kann es in eine konstruktive Diskussion lenken. Manchmal staune ich noch über mich selbst, habe sowieso oft den Gedanken, mich recht wenig zu kennen. Ich glaube allen Ernstes, ich kenne A besser als mich. Und noch immer kommt die Liebe an erster Stelle, wenn wir uns nicht verstehen, ist mir alles egal. Immer wieder staune ich, dass mir das passiert ist, dass ich einen Menschen so lieben kann. Meine Mutter hat immer gesagt ich sei arrogant, bei mir würde es keiner aushalten oder sie seien mir nicht gut genug, und andere haben mich auch so gesehen, weil ich es nie lange mit Freund oder Freundin aushielt, bis ich A traf. Aber den wollte ich ganz für mich alleine, wollte ihn mit niemandem teilen, nicht mal mit seiner Mutter.

Ich will mich nicht einrichten, will Neues, Unvorhergesehenes erleben – sicher steht auch uns bald Leiden & Siechtum bevor.

Vor ein paar Tagen meinte A, um mich zu trösten: in ca. 3 Jahren brechen wir hier alles ab und gehen wieder auf Reisen. Ich habe überhaupt nicht reagiert, weil ich nicht mehr in solch großen Zeiträumen denken kann. Was wird in 3 Jahren sein, vielleicht bin ich gar nicht mehr unter den Lebenden. Wie schön es ist, anhalten zu können, kein Zeitgefühl zu haben, vielmehr spielt die Zeit keine Rolle. Ich kann es wieder, zumindest ab und zu – das macht mich glücklich.

Samstag sind wir bei sonnigem Wetter endlich mal zum Tempfelhofer Feld geradelt: die Menschen haben sich dieses riesige Gelände angeeignet. Jede/r hat sein Refugium, Skaten, Fahrrad oder Inlineskater fahren, Grillen, Sonne anbeten, Gärtnern, und selbst die, die Einsamkeit suchen, finden sie. Eigentlich ganz toll! Warum muss jetzt hier auch wieder sehr viel Geld ausgegeben werden, um einen scheußlichen Park, ähnlich dem neuen City-Park (Gleisdreieck), herzustellen?

Bei unserer Veranstaltung, wo verschiedene Initiativen, Politiker, Baumfachleute usw. aufeinander trafen, hab ich nach meinem Auftritt (mache so was absolut nicht gerne, vor vielen Menschen reden), darüber nachgedacht, mit wie vielen der Anwesenden ich jetzt evtl. freiwillig zusammen wäre, außer A, kam ich noch auf zwei Menschen. Ach ja, mein Geburtstag rückt ja auch näher und der Winter: alles hassenswert!

Fuck – mir geht’s nicht super, glaube ich habe einen Menschenkater wie Andreas so treffend schreibt.

Ein Leben, welches das Leben nicht riskieren will, beginnt unweigerlich dem Tod zu gleichen.“

Robert Pfaller

Erschlagen

Tempelhofer Feld

3 Kommentare zu “Lebenswert?

  1. Sherry sagt:

    Hallo du arrogante, schwer zu ertragende Dame! Schön, dass du wieder einen Pieps von dir gegeben hast, diesmal keine Fatamorgana. Du bist tatsächlich hier.

    Was mich fasziniert hat ist, dass du wirklich bei A. geblieben ist, obwohl das nicht zu deiner Art gehört. Und wenn A. noch in solchen Zeitintervallen denken kann, scheint er ungefähr 100 Mal soviel Hoffnung auf die Zukunft zu haben, als du. Du fühlst dich schon viel zu alt für dein Alter, vermutlich, weil du es überhaupt unverständlich findest, wie man altern kann, wenn man so in Bewegung ist…

    Es geschieht aber dennoch. Einfachso. Je mehr man erlebt, desto schneller vergeht die Zeit. Vielleicht ist das ein kleiner Trost. Wobei, ich glaube eher nicht. Ach, was weiß ich.

    • bibbche sagt:

      He, das hast Du schön gesagt: einen Pieps, zu mehr bin ich im Moment nicht in der Lage (s.Foto).

      Ich fühl mich viel zu jung für mein Alter, bin wahnsinnig gerne mit Jüngeren zusammen, aber leider viel zu selten – will sagen ich spiegele mich in den anderen: bin ich überwiegend mit schönen Menschen zusammen, fühle ich mich schön, bin ich mit jungen zusammen, fühle ich mich jung; bin ich aber mit älteren, unschönen Menschen zusammen, fühle ich mich auch alt und unattraktiv.

      Ich weiß, dass ist blöd, ist aber so…

      und über Leiden, Sterben und Tod denke ich schon mein ganzes Leben nach – seit ich mich mit Philosphie beschäftige.

  2. Sherry sagt:

    Bei mir ist das irgendwie anders. Ich bin einmal gerne mit sehr Jugendlichen zusammen, weil ich einfach auf ewig die Große-Schwester-Rolle intus haben werde und weiß, dass ich einen positiven Einfluss auf andere einüben kann. Jugendliche hören nich auf wirklich Erwachsene, sondern auf etwas Ältere, die irgendwie einwenig noch etwas von ihrer Welt verstehen, deshalb klappt das gut. Andererseits bin ich aber auch sehr gerne mit älteren Menschen zusammen. Genau aus dem selben Grund, warum ich denke, dass Jugendliche gerne mit mir zusammen sind. Ich kann unheimlich viel von ihnen lernen, allen voran die Gelassenheit, die sie dem Leben gegenüber entgegen bringen. In einer Horde sehr attraktiver, auf das Aussehen fokussierter Menschen fühle ich mich enorm Fehl am Platz. Je nach Stimmung genervt, einsam bis ziemlich klein mit Hut, weil die alle so schrecklich von sich überzeugt scheinen. Aber vermutlich meinst du nicht diese Art von „Schönheit“, sondern eher die, die es sind, aber jetzt nicht alles darauf aufbauen.

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